Die FH St. Pölten stellt gerade einen Neu- und Umbau fertig, der im Sommer bezogen wird. Das neue Flächenkonzept sieht zoniertes Arbeiten vor gepaart mit einem Home Base-Konzept und Flexidesk-System. Doch wie soll in Zukunft – auch post-corona – die Zusammenarbeit in den neuen Flächen aussehen und organisiert werden

Boosting Change hat das Department für Medien und Digitale Technologien bei der Aufgabe unterstützt, diese konzeptionellen Grundpfeiler mit Leben und Arbeitsrealitäten zu füllen. Bereits vor der Pandemie hat das Department ca. 40% der Arbeitszeit remote verbracht. Es ging daher darum, ein besonderes Augenmerk auf Anwesenheitsfreude zu legen und sich zu überlegen, wie die einzelnen Arbeitsmodi der verschiedenen Nutzergruppen in Forschung und Lehre vor Ort und remote unterstützt werden können. Zum einen geht es um räumliche Aspekte, wie ausreichend Räume zu haben für hybride (Video-)Meetings/Veranstaltungen und Orte der Kollaboration und Zusammenkunft (Küche, Community Spaces, Workshop-Räumlichkeiten). Zum anderen geht es aber auch um wichtige Aspekte der Arbeitskultur: wie gehen wir in hybriden Set-Ups miteinander um? Welche Vereinbarungen treffen wir? Wie können die physischen Räumlichkeiten stärker als Kulturträger und Orte der Zusammenkunft und Kollaboration fungieren?

Komplett remote ko-kreativ: in einem kaskadierenden ko-kreativen Prozess hat Boosting Change zunächst die relevanten Stakeholder-Gruppen in die Lösungsfindung mit einbezogen. In einem ersten Workshop wurden Bedürfnisse und Ängste benannt und Chancen des Umzugs diskutiert. Gemeinsam mit den Führungskräften haben wir Führungsgrundsätze als Leitplanken für die neuen Arbeitsweisen entwickelt. Kernstück unserer gemeinsamen Arbeit bildete ein eintägiger remote Hackathon, in dem das gesamte Team (70 Personen) 20 konkrete Lösungen für den Umgang und das Arbeiten in den neuen Räumen entwickelt hat. Die Lösungen reichen von smarten Booking-Mechanismen über Statusanzeigen zur Verfügbarkeit von geteilten Räumen und Ressourcen bis hin zu neuartigen Pop-up Räumen im Außenbereich, die neben dem internen ad-hoc-Austausch auch den Dialog und den Diskurs mit der Community fördern sollen. 

Gleichzeitig wurde ein Multiplikatorenteam, die so genannten Relocation-Guides, etabliert, das sich federführend um die Einführung der Lösungen und den Neubezug in die veränderten Räumlichkeiten kümmert. In den nächsten Schritten werden die eingeführten Lösungen im neuen Arbeitsalltag getestet, das Feedback gesammelt und die Lösungen iterativ weiterentwickelt. Denn Arbeitsweisen und die dazugehörende Rituale sind ein lebendes System, das von den Menschen geformt wird, die das System ausmachen: den Mitarbeiter*innen.

Unser Kunde, Franz Fidler, Departmentleiter Medien & Digitale Technologien, sieht dem Umzug mit Freude entgegen: „Boosting Change hat uns als ExpertInnenorganisation in unserem Wandel hin zu New Office und New Work sehr gut unterstützt. Das Coaching hat uns die nötige Sicherheit gegeben und zu raschen und konkreten Ergebnissen geführt.“

Eines wissen wir: die Zukunft der Arbeit ist hybrid. Egal, in welchem Maße die Menschen wieder zurück in ihre Büros kommen, ein essenzieller Teil der Arbeit wird künftig nicht mehr im herkömmlichen Büro – sondern im Home Office oder remote – stattfinden. Welche Rolle spielt das Büro also in diesen veränderten Gegebenheiten? Höchste Zeit, finden wir, sich darüber Gedanken zu machen und die Räumlichkeiten auf neue Arbeitsweisen auszurichten.

Es gibt kein Zurück – die Chance liegt im Jetzt!

Zurück zum vollständigen Präsenzmodell werden wir post-Corona nicht gehen. Die Pandemie hat uns einen Paradigmenwechsel aufgezwungen und dem meist noch sehr präsenzzentrierten Begriff der Arbeit seine Allgemeingültigkeit genommen: die Anwesenheit vor Ort wird nicht mehr mit Arbeitszeit gleichgesetzt. Wir werden nicht zurückehren zum reinen Präsenzmodell, weil die Entwicklung des Infektionsgeschehens dies für die nächste Zeit noch nicht überall zulässt. Wir werden auch nicht zurückkehren können, weil die Mitarbeitenden mehr Flexibilität und Autonomie einfordern werden. Die Möglichkeit des verteilten Arbeitens wird zum Wettbewerbsfaktor beim Kampf um Talente werden.

BCG schätzt in einer Studie, dass in zwei bis drei Jahren 40% der Arbeitszeit dauerhaft remote erfolgen wird. Die Finanzchef*innen bekommen dabei leuchtende Augen und denken über Flächenreduktionen und Einsparungen nach. Das ist valide. Das ist der Job, den Finanzchef*innen machen. Und das ist die rein ökonomische Betrachtungsweise. Doch es gibt auch andere Perspektiven, die für weniger Büro sprechen. Manche Start-ups mieten erst gar keine Flächen an, da sie so komplett global verteilt und flexibel arbeiten möchten. Manche Organisationen entmieten ihre Flächen, um jetzt nicht unnötig Miete zu bezahlen und um nach der Krise bewusst Flächen- und Kollaborationsmodelle komplett neu zu denken. Oder sie machen es wie Spotify: Sie lassen dem Team die komplett freie Wahl, wann wer wo arbeiten möchte. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, wie Menschen in reduzierten und veränderten Flächen gut zusammenarbeiten können. 

Die Organisationen haben in der Pandemie viel gelernt über remote Arbeit. Vieles, was überraschend gut funktioniert und damit das „Home Office geht nicht“-Killerargument entkräftet hat. Einige Studien zeigen auf, dass Unternehmen durch Home Office die Produktivität steigern konnten, insbesondere bei Tätigkeiten, die individuelles konzentriertes Arbeiten erfordern. Auch wurden die fehlenden Reise- und Pendelzeiten zugunsten der Arbeit umgewidmet. Hinzu kommt ein gesteigertes Maß an zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Autonomie, was für viele Menschen ein Attraktivitätsplus darstellt, da persönliche Bedürfnisse besser in Einklang gebracht werden können. Gleichzeitig wissen wir aber auch um die Herausforderungen: fehlender Austausch, fehlende Nähe, mangelnde Abgrenzung, ein Dauergefühl des always-on, kaum Zeit und Raum für kreatives Arbeiten, schwierigere Vereinbarkeit von Beruf und Privat, wenn die ganze Familie pandemiebedingt von zu Hause arbeitet und lernt. Die persönlichen Vorlieben und Alltagsrealitäten sind sehr unterschiedlich: was der einen Person ihr Heiliger Gral ist der Anderen ihr Worst-Case-Szenario.

Das Beste aus beiden Welten – ein immenser Lösungsraum

Hier ist sie also: die Chance, Zusammenarbeit und Kollaboration neu zu denken. Etwas plakativ formuliert: was ist noch die Daseinsberechtigung eines physischen Büros? Etwas differenzierter: Was wäre auf einem weißen Papier das beste räumliche Set-up, um das Kerngeschäft und die Teams bestmöglich zu unterstützen? Wir sollten verstehen, was genau die Szenarien und Modi sind, in denen das Büro als ein Ort der physischen Zusammenkunft und Nähe dem Arbeiten aus der Distanz überlegen ist. Das sind aus unserer Sicht die folgenden drei Bereiche:

  • Kollaboration & Innovation
  • Austausch & Verbundenheit
  • Der physische Ort als Kultur- und Markenträger

Mit dieser Erkenntnis ergibt sich ein immenser Lösungsraum, die physischen Repräsentanzen eines Unternehmens neu zu denken. Wie können wir also unsere Räumlichkeiten und Arbeitsweisen umgestalten, um hybriden Arbeitsmodellen besser gerecht zu werden? Hier einige Denkanstöße:

  1. Der Firmensitz

Muss es immer ein großes zusammenhängendes Gebäude in ein oder zwei Städten sein? Man könnte z.B. kleinere Hubs in verteilten Orten bespielen, an denen Menschen zusammenkommen. Damit würde man sich örtlich einen größeren Recruiting- und Vertriebsradius verschaffen und dennoch feste Orte für Zusammenkunft beibehalten und diese zusätzlich ggf. für andere (Partner-)Unternehmen oder den eigenen Freelancer-Pool öffnen.

  1. Kollaboratives und kreatives Arbeiten

Wenn individuelle Aufgaben vornehmlich remote erledigt werden könnte mehr Fläche für Austausch und Kollaboration verwendet und diese so ausgestattet werden, dass Kollaboration einfach und effektiv möglich ist. Zum Beispiel flexibel abtrennbare Workshop- und Kreativräume mit beweglichen Whiteboards, modularen Möbeln, Inspirationsmaterial, guter Belüftung, technischer Ausstattung und Arbeitsmaterial für eine einfache und effektive Zusammenarbeit. Mit zusätzlichen Prototypingmöglichkeiten, um Ideen direkt greifbar zu machen und zu testen.

  1. Zufallsbegegnungen und menschliche Nähe

Zufallsbegegnungen sind der emotionale Kleber im beruflichen Alltag. Wir alle denken an die typischen Begegnungen an der Kaffeemaschine. Es gibt einige schöne virtuelle Rituale und Tools, die sich diesem Thema widmen und Menschen nach Zufallsprinzip zum ungerichteten oder gerichteten Austausch zusammenbringen (z.B. die App Donut oder WonderMe). Und das kann überraschend weit tragen, ist aber immer noch geplant und muss orchestriert und akzeptiert werden. In der Offline-Welt wissen wir: Neues entsteht oft aus dieser einen zufälligen Unterhaltung mit zwei Kolleg*innen oder der kurzen Unterhaltung beim Weg aus dem Meeeting zurück an den Arbeitsplatz. Emotionale Bindung entsteht durch Small-Talk übers Wochenende Montag morgens am Fahrradständer oder beim gemeinsamen Mittagessen. Diesem Aspekt sollte räumlich also besonders Rechnung getragen werden. Enge und dunkle Teeküchen, die notgedrungen von der Fläche abgezweigt wurden, könnten ersetzt werden durch Orte, die ad-hoc Zusammenkünfte fördern. Lange Tische, Platz um die Kaffeemaschine, direkte Möglichkeiten, um eine begonnene Unterhaltung im kleinen Kreis weiterzuführen. Eine weitere Möglichkeit ist, geteilte Flächen oder Ressourcen so zu positionieren, dass man sich auf dem Weg dorthin begegnen muss.

  1. Förderung des Kerngeschäfts

Wie könnten Räume aussehen, die die Entwicklung des Kerngeschäfts fördern? Das können Räume sein, die optimal ausgestattet sind, um Akquise zu betreiben und den potenziellen Kunden ein Gefühl über Kultur und Arbeitsweise mitgeben. In Geschäftsbereichen, bei denen man physische Dinge zeigen kann, kann man Meetingraum mit Ausstellungs- und Ausprobierfläche vereinen.

  1. Nahtloser Wechsel zwischen den Welten

Eine Hauptherausforderung wird sein, den Übergang zwischen den beiden Welten so harmonisch und friktionslos zu gestalten wie möglich. Dazu gehört zum Einen eine geeignete cloud-basierte Tool-Landschaft (Videokonferenzsysteme, virtuelle Whiteboards, Kollaborations- und Tools – wie z.B. Slack, Trello, Jira – und geeignetes Wissensmanagement), welche sowohl synchronen Austausch wie auch asynchrones Arbeiten an den gleichen Inhalten ermöglicht. Zum anderen die Gewährleistung einer passenden technischen Ausstattung in den Büroflächen und ein passendes Set-Up für Remote Arbeit. Wichtig dabei ist, dass Inklusion gewährleistet ist: wenn ein Teil im Workshop-Raum im Büro sitzt und ein Teil zugeschaltet hat, braucht es klare Vereinbarungen über das Miteinander in solchen Set-ups (z.B. dass alle sich individuell einwählen und man einem klaren Meeting-Ritual folgt) bzw. ein Übereinkommen, welche Art Workshops in Präsenz erfolgen.

Der Lösungsraum ist groß, die Ideen sind mannigfaltig. Durch Methoden der Ko-Kreation können diese Ideen pragmatisch und kollaborativ sortiert und umgesetzt werden. Jede Organisation kann so für sich einen Königsweg finden und ihre Räumlichkeiten so umgestalten, dass neue Arbeitsweisen und die Menschen, die dahinter stehen, bestmöglich unterstützt werden. Was denken Sie: Passt Ihr Büro noch zu Ihrer Arbeit?